Was passiert, wenn jemand, der/die als subaltern, also als unprivilegiert gilt, Kunst macht? Kann seine/ihre Kunst überhaupt als Kunst akzeptiert oder wahrgenommen werden? Der Titel verweist auf Gayatri Chakravorty Spivaks bekannten Text «Can the Subaltern Speak?» von 1988. Spivak analysiert, wie die Gewalt von Diskursen das koloniale Subjekt als «Anderes» konstituiert. Dabei zeigt sie eine Hierarchie der Wissensproduktion auf, die bestimmte Formen von Wissen disqualifiziert, Selbstrepräsentation ausschliesst und dominante Formen von Wissen reproduziert.

Diese Analyse wird mit dem Vortrag auf die Frage, ob Migrant*innen oder Geflüchtete Kunst machen können, übertragen. Dabei sollen Vorgänge der Ausblendung sichtbar gemacht werden. Es wird um strukturelle Erfahrungen gehen, unverständlich bleiben zu müssen und von Formen der Selbst-Repräsentation ausgeschlossen zu sein. Es wird um die Zusammenarbeit von privilegierten Kultur- oder Kunstschaffenden und Unprivilegierten (z.B. Geflüchteten) in der Gesellschaft gehen. Es wird darum gehen, zu einer Frage zu kommen: «Can the Subaltern make Art?» und ist die Kunst, wenn Subalterne sie machen, überhaupt subaltern?

Niştiman Erdede (*1979, Silvan/TR) ist dekolonialer Künstler, Kurator, freischaffender Radiojournalist und Text-Konzepter. Er lebt und arbeitet in Zürich. 2008 kam er als politischer Migrant nach Zürich. Davor arbeitete er als Medizinischer Laboranalytiker in der Stadtklinik von Diyarbakir. Niştiman Erdede unterstützte in Südostanatolien als Organisator und Dolmetscher mehrere NGOs im Bereich der Menschenrechte. In Folge einer ersten Untersuchungshaft wegen seines Engagements stand er vor der Entscheidung, politischer Gefangener zu werden oder sein Land zu verlassen. Nach seiner Flucht 2008 dauerte es sechs Jahre, bevor seinem Asylantrag entsprochen wurde und er als anerkannter Geflüchteter sein aktives Leben in der Schweiz aufnehmen konnte. Zwischen 2010 und 2014 wirkte Erdede in einem Kollektiv, das von Geflüchteten aufgebaut wurde. Noch im Status eines Asylbewerbers bewarb er sich an der ZHdK, wurde aufgenommen und studierte zwischen 2013 und 2016 im Department Kunst & Medien. Schon in dieser Zeit befragte er das Verhältnis zwischen Geschichte, Erinnerung und emanzipatorischem Handeln im Kontext von unfreiwilligen Emigrationsbewegungen. Sein Verständnis dieser Arbeit ist auch das einer Erkundung der Möglichkeit, die eigenen sowie die kollektiven Erfahrungen des Freiheitsentzugs zu überwinden, sei es durch das Schreiben oder die Praxis dekolonialer Kunst.


© Olaf Brachem